»Ganz schön kindisch!« Kann das bei einem Branding tatsächlich ein Kompliment sein? Wenn ja, muss die verantwortliche Agentur etwas überaus richtig gemacht haben. Einige der besten Köpfe der Branche haben uns im Jahr 2020 wieder richtungsweisende Rebrands geschenkt.

Dieses Jahr war es erstaunlich still, was Rebrands weltweit bekannter Marken angeht. Haben im Jahr 2019 mit Slack, Staples, Mastercard und Volkswagen noch wirklich große Namen exzellente »Anstriche« und strategische Ausrichtungen bekommen, war es dieses Jahr nötig, genauer hinzuschauen. Tiefer zu graben.

Etwas unter der Oberfläche versteckt ließen sich jedoch einige Diamanten zutage fördern. Arbeiten, die so gut sind, dass sie sogar so herausragende Rebrands wie für Heinz (durch Jones Knowles Ritchie), Vancouvers North Shore (verantwortet von Loki) und Thames & Hudson (fantastisch umgesetzt von Pentagram) auf die Plätze verwiesen haben.

1. Rolls Royce

1. Rolls Royce

Linienumsetzung der »Spirit of Ecstasy« der Marke Rolls Royce auf einem Display

Mit der Linienumsetzung der »Spirit of Ecstasy« ist Rolls Royce der Spagat zwischen Moderne und Hochwertigkeit gelungen.

Realisierung: Pentagram

Eine »neue Identität für die edelste Marke der Welt« zu verantworten, dürfte wohl die Definition einer monumental schwierigen Aufgabe sein. Aus meiner Sicht ist dies jedoch herausragend gelungen und mit einer handwerklicher Fertigkeit umgesetzt worden, wie es nicht nur der Marke Rolls-Royce angemessen, sondern überhaupt möglich ist.

Besonders gut gelungen ist meiner Meinung nach die Vereinfachung der »Spirit of Ecstasy«. Diese durch den gezielten Einsatz in allen Medien, ob Online oder Offline, zum Lifestyle-Markenzeichen zu erheben, dürfte sich als schlauer Schachzug der Markenstrategen herausstellen. Beeindruckend ist ebenso die Stilisierung der Kühlerfigur, welche Partnerin Marina Willer  als starkes visuelles Schmuckelement in Form einer Linienumsetzung entwickelt hat.

Im Zusammenspiel mit einem wohldurchdachten Farbschema und der modernisierten Wortmarke ergibt sich in der Summe ein crossmedial ansprechendes sowie der Marke angemessenes Gesamtbild.

Details: pentagram.com/­work/­rolls-royce-3

  

2. Regents Place

2. Regents Place

Spazierende Menschen auf der Bildmarke des »Regents Place« aus der Vogelperspektive

Die Bildmarke des »Regents Place« findet durchgängig sehr prominente Anwendung.

Realisierung: DixonBaxi

Ein im Kern wirklich adäquates Branding für ein Stadtquartier zu entwerfen, stelle ich mir äußerst knifflig aber auch enorm spannend vor. DixonBaxi hat diese Aufgabe für den Londoner »Regents Place« allerdings bis zur Perfektion gemeistert, wie ich finde.

Die strategische Idee den Ort als Stätte für umweltbewusste urbane Pioniere zu positionieren, gibt der gesamten Marke ein ambitioniertes aber auch klares Profil. Wichtig dabei ist allerdings auch, dass sie – wie hier der Fall – angemessen ist.

Der geografischen Lage des Platzes als Schnittstelle der drei Bezirke »Knowledge Quarter«, »Camden« und »West End« in Form eines »R« im Logo Tribut zu zollen, gibt diesem zugleich einen cleveren, passenden und individuellen Charakter.

Mit der flexiblen und klugen Art und Weise, wie Senior Creative Astrid D’Hondt diese Bildmarke durch die Bank verwendet, wird es nicht nur schnell unverwechselbar werden, sondern die Marke auch mit weiteren positiven Attributen aufgeladen.

Details: dixonbaxi.com/­regents-place

  

3. Fisher-Price

3. Fisher-Price

Ein Kind auf einer Schaukel in Form des Bildmarke der Marke Fisher-Price

Die Markenelemente von Fisher-Price ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bild- und Formensprache.

Realisierung: Pentagram

Für mich drückt das neue Markenbild überbordende Freude und Energie aus. Es macht einfach Spaß mit den spielerischen Elementen in Berührung zu kommen. Die anvisierte Zielgruppe wird ganz unmittelbar auf einer positiven kindlichen Ebene angesprochen.

Dazu wurden die grafischen Elemente zu Mustern kombiniert und können so unter anderem als »Play-mojis« verwendet werden. Kindgerichte, emoji-artige Illustrationen, die von Spielzeug-Gesichtern inspiriert sind.

Von Partnerin Emily Oberman ist dies so charmant und prägnant umgesetzt, dass man sich nur allzu gerne in die farbenfreudige sowie fröhliche Markenwelt hineinziehen lässt. Auch das Motion-Design ist meiner Meinung nach äußerst passend realisiert.

All dies basiert auf einer von Wieden+Kennedy ausgearbeiteten Strategie, welche Fisher-Price wieder zurück zu seinen Wurzeln als Spielzeug-Hersteller führt. Zudem wurde in Zusammenarbeit mit Schriftendesigner Jeremy Mickel eine eigene Schriftart entwickelt.

Details: pentagram.com/­work/­fisher-price

  

4. La Confesión

4. La Confesión

Vier Flaschen La Confesión in Nahaufnahme

Das neue Verpackungs- sowie Flaschendesign von La Confesión wirkt sehr hochwertig und gleichzeitg geheimnisvoll.

Realisierung: Shift

Ein Rebranding für eine exklusive sowie sagenumwobene mexikanische Spirituose durchführen zu dürfen – welcher von den Azteken sogar magische und heilende Kräfte nachgesagt wurden – klingt nach einer sehr, sehr dankbaren Aufgabe.

Bei La Confesión handelt es sich um Sotol, ein hochprozentiges Getränk aus dem Staat Coahuila in Mexiko. Vergleichbar ist es mit dem hier bekannten Tequila. Er wird jedoch nicht aus Agaven sondern aus einem Spargelgewächs hergestellt.

Das von Shift entwickelte Markenbild erzählt äußerst gekonnt und unterschwellig die Geschichte des Sotol. War die Herstellung doch von 1920 bis vor ungefähr 30 Jahren offiziell verboten. Ein Verbot, gegen das die Nordost-Mexikaner trotz möglicher Strafverfolgung durchgängig aufbegehrt haben.

Die eigens gezeichnete Schrift des Logos nimmt Bezug auf Schriften aus der Kolonialzeit sowie vertraulichen Dokumenten, Verträgen und Briefen. Das einzigartige Flaschendesign greift subtil die verwendeten Zutaten auf und rundet den mysteriösen Gesamteindruck ab.

Details: byshift.co/­project/­33

  

5. Kames

5. Kames

Plakatwand mit drei Plakaten von Kames entlang eines Fußgängerwegs

Das neue Branding von Kames zieht eindeutig die Blicke auf sich.

Realisierung: Jamhot

Da ich in einer Gegend Zuhause bin, in der Fisch eine nicht allzu unerhebliche Rolle spielt, bilde ich mir gerne ein, bereits so ziemlich jedes Branding in diesem Wirtschaftszweig gesehen zu haben.

Umso mehr hat mich Jamhots überragende Ausführung des Rebrands für die schottische Firma Kames überrascht. Schaffen Sie es doch, den schmalen Grat zwischen Retro und minimalistisch Modern zu beschreiten und das grundsätzlich wenig attraktive Thema »Forelle« zu einem echten Blickfang zu machen.

Entscheidend dafür ist neben dem konsequent durchgezogenen Farbschema auch die hervorragende Typografie. Gemeinsam unterstreicht es den qualitativen Anspruch Kames' und wirkt frisch. Erfordert jedoch echtes gestalterisches Können.

Details: behance.net/­gallery/­108809917/­Kames

  

Bonus: Football Association of Iceland

Bonus: Football Association of Iceland

Ein Fußballspieler im Trikot der isländischen Fußball-Nationalmannschaft

Die neue Bildmarke auf dem Trikot der isländischen Fußball-Nationalmannschaft.

Realisierung: Brandenburg

Wer mich ein wenig besser kennt, dem ist bekannt, dass ich eine Schwäche für die nordische Kultur habe. Daher musste ich im Vorfeld intensiv darüber nachdenken, ob ich der radikalen visuellen Neuausrichtung des isländischen Fußballverbandes vielleicht zu uneingeschränkt positiv gegenüberstehe.

Normalerweise dürfte es gar nicht funktionieren, was sich Brandenburg als verantwortliche Agentur überlegt hat. Kurt Weidemann hätte vermutlich aufgeschrien, lässt sich das Logo doch nicht mit dem großen Zeh in den Sand kratzen.

Trotzdem zieht das mit mystischer Bedeutung aufgeladene Symbol den Betrachter magisch in seinen Bann. Bestehend aus einer stilisierten Umsetzung der vier isländischen Schutzgeister – ein Riese, ein Stier, ein Adler und ein Drache – ist es sehr markant und gibt der Bildmarke und dem gesamten Design-System kulturelles Gewicht.

Die Idee, Herleitung und Realisierung kann man nur als Volltreffer bezeichnen. Zusätzliche Identifikation bietet den Fans die Möglichkeit, die Schutzgeister auch für sich genommen zu verwenden. Dies eröffnet logischerweise endlos viele Merchandising-Chancen.

Details: landvaettir.ksi.is/­en

  

Fazit

Fazit

Meines Erachtens nach unterstreichen diese überragenden Rebrands die immer größere Notwendigkeit von Individualität und Flexibilität über alle Kanäle hinweg. Das Design-System als solches muss dabei in einem medial vollkommen übersättigten Markt die Geschichte der Marke erzählen und ihr Tiefe verleihen.

Dabei ist es nicht entscheidend, ob eine Organisation bereits über ein tolles Logo oder eine atemberaubende visuelle Grundlage verfügt. Mit einigen behutsamen Kniffen oder auch mit einer radikalen Neuausrichtung kann etwas ganz Neues und Eigenes entstehen.

Letztlich können wir der Zielgruppe nicht aufzwingen, was sie von einer Marke halten soll. Bildet sich doch jeder Einzelne seine ganz persönliche Meinung. Dies lehrte uns bereits Marty Neumeier in seinem Buch »The Brand Gap«. Mit dem passenden Branding können wir Sie jedoch gezielt an die Hand nehmen und leiten.

  

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